Ehrenamt in Jordanien. Fotos und Text © Alea Horst für Vision Hope International. Im Oktober 2016 besuchte Alea Jordanien. Von dort schickte sie uns Bilder und Geschichten, die wir hier in einer Serie von zehn Artikeln teilen werden. In Jordanien, diesem warmen, einladenden arabischen Reich sind 89 von 1000 Einwohnern Flüchtlinge, dies sind ihre Geschichten.

Das ist Amira, sie empfängt uns selbstsicher, freundlich und bestimmt in ihrer Wohnung. Amira ist Mutter von 3 Söhnen und kommt aus Syrien. Sie ist seit 2012 hier in Kerak und hat eine kleine Wohnung gemietet. Bei einem Glas Limonade erzählt sie uns ihre Geschichte. Ihr Mann arbeitet in einem kleinen Shop in der Stadt. Sie möchte auf den Bildern nicht gezeigt werden, natürlich respektieren wir diesen Wunsch.
Nore, ihr jüngster Sohn (auf dem Foto zu sehen) leidet an einer Art Leukämie und muss alle 20 Tage ins Krankenhaus zur Behandlung. Amira fährt mit ihrem Sohn dann gut zwei Stunden mit dem Bus bis nach Amman, weil sie im dortigen Krankenhaus nichts bezahlen muss. Abgesehen von der Behandlung ihres Sohnes, bekommt sie keine weitere Unterstützung von der UN.
Nore war bis letztes Jahr im Kindergarten von Vision Hope, jetzt ist er in der Schule. Allerdings läuft es da nicht so gut. Während wir in ihrer Wohnung sitzen, sträubt er sich die Schultasche zu packen. Er möchte nicht in die Schule, weil er keine Freunde mehr hat. Bis vor 4 Wochen war er vormittags noch in der staatlichen Schule, hatte Freunde und Spaß am Lernen. Jetzt wurde er für den Nachmittagsunterricht eingeteilt. Nicht alle syrischen Kinder können am Vormittag in die Schule gehen. Einige werden daher separat am Nachmittag unterrichtet. Viele wichtige Fächer fallen dadurch allerdings weg. Nores Schultag ist so nur 3 Schulstunden lang. Amira ist unglücklich darüber, dass ihr Sohn nicht die gleiche Bildung erhält wie andere Kinder. Ohne Bildung wird er keinen Beruf erlernen können.
Amira hat bis vor einiger Zeit auch im Kindergarten von Vision Hope als Vorschullehrerin gearbeitet. Leider sind die Bestimmungen im Land schwierig, weil Jordanier Vorrang haben und so musste sie die Stelle wieder an jordanische Frauen abgeben. Ihr ist das sehr schwer gefallen, weil das Leben hier sehr teuer ist und sie dringend Geld benötigt.

Aus Syrien berichtet sie, dass sie viel Blut auf der Straße sah und in ihrer Heimat immer mehr Menschen verschwanden. Außerdem braucht ihr Sohn Bluttransfusionen. Irgendwann musste sie sich immer selbst um einen Spender kümmern, der regelmäßig mit ins Krankenhaus kam um sein Blut zu spenden. Schließlich packte sie ihre Sachen und ging von Zuhause weg. Erst versuchte sie vergeblich, im Land Schutz zu suchen. 2012 kam sie dann doch nach Jordanien. Sie vermisst ihre Schwestern und ihr Zuhause, sagt sie uns. Sie belastet es, dass sie kein eigenes Haus mehr hat. Die Übersetzerinnen erklären mir, dass das Haus oft das Reich der Frauen ist und dass es daher ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Ich beginne, einige Unklarheiten der Kultur mehr zu verstehen. Zurückgehen nach Syrien ist für sie keine Option. Ihr Haus ist zerstört — “es gibt dort nichts mehr für mich.”
Als ich sie nach ihren Sorgen befrage, beginnt sie zu weinen und bittet uns, für ihren Sohn zu beten. Wir sitzen gemeinsam auf ihrer Sitzecke und beten. Ich sehe ihre Tränen und habe einen Kloß im Hals. Sie vermisst auch den Rest ihrer eigenen Familie. Die letzten sind vor einem Monat aus Syrien in die Türkei geflohen. Sie berichtet, dass die Lage dort für Flüchtlinge noch viel härter ist als hier in Jordanien…
Ich denke an die Berichte befreundeter Helfer aus der Türkei, ich wünschte die negativen Informationen würden sich nicht immer von verschiedenen Seiten bestätigen.
Doch Amira hat auch Hoffnung. Vision-Hope wartet auf die Freigabe von Nachmittagsprojekten für Kinder und auch Frauen. Amira könnte dann nachmittags wieder als Lehrerin im Kindergarten arbeiten, um Kindern z.B. Hilfe bei den Hausaufgaben zu geben. Die Projekte wären eine große Chance für syrische Frauen wie sie, da sie vormittags nicht arbeiten dürfen. Wenn alles klappt hätte sie endlich wieder einen Lohn und es könnte weiter gehen.